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Ohne Geländer? – Von den Krisen und Chancen des Christseins in fordernden Zeiten

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Besinnungstage der Ordensprovinz Norddeutschland in der Katholischen Akademie Stapelfeld.

Das erste Septemberwochenende verbrachten 45 Angehörige der Norddeutschen Provinz bei spätsommerlichem Wetter und in wunderbarer, bereichernder Atmosphäre in der Katholischen Akademie Stapelfeld. Die jährlichen Besinnungstage der Provinz zum Thema „Ohne Geländer? – Von den Krisen und Chancen des Christseins in fordernden Zeiten“ boten Gelegenheit zum offenen Austausch, intensiven Nachdenken und fröhlichen Beisammensein.

„Ohne Geländer – so fühlen wir uns derzeit häufig als Christen. In den letzten Jahren ist vieles weggebrochen, was uns lieb, gewohnt und vertraut war. Die Corona-Pandemie hat auch das kirchliche Leben gewaltig verändert und Schwierigkeiten sichtbar gemacht. Innerkirchliche Konflikte und Negativschlagzeilen wirken sich deutschlandweit aus und führen seit Jahren zu massiven Austrittswellen.“ Damit werde deutlich sichtbar, dass die Menschen sich Gehör verschaffen wollen: durch ihren Austritt äußern sie Kritik und setzen ein Zeichen vor ihrem eigenen Gewissen. Mit diesen Gedanken begrüßte S.E: Weihbischof Wilfried Theising aus Vechta, der Prior der Norddeutschen Ordensprovinz, die Teilnehmenden der Besinnungstage und lud sie ein, sich den eigenen Standpunkt klarzumachen: Wo stehe ich in meiner Glaubenssituation und in meinem konkreten Leben?

Gleichzeitig ermutigte er sie, auf die Gemeinschaft untereinander zu bauen und sich gemeinsam auszurichten auf Jesus Christus und den Glauben, der uns trägt. Vom Ursprung her gedacht haben wenige Jünger viel in Gang gesetzt und auch heute noch gelte die Zusage Jesu, dass die Kirche als Zeugnis für ihn nicht untergehen werde.

Der Referent des Wochenendes, Cfr. Msgr. Prof. Dr. Wilhelm Tolksdorf aus der Komturei St. Thomas Morus Essen, Professor für Pastoraltheologie, Gemeindekatechese und Theologie der Verkündigung an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, beleuchtete dann die Gründe dafür, warum „das mit der Kirche“ so kompliziert geworden ist und in welcher Haltung man diese Situation „ohne Geländer“ bestehen kann.

Hintergrund für die Entwicklung seiner Vorlesung in der Ausbildung von jungen Gemeindereferenten war die Feststellung, dass auch in jungen Köpfen die alten Kirchenbilder resistent sind und ein Bild von Gemeinde, die sich um den Pfarrer schart und gelungene Feste feiert, bestehen bleibt – kurz: alles soll so bleiben, wie es war. Um die Studierenden zumindest theoretisch auf den Stand der Dinge zu bringen und sensibel für die Zukunft zu machen, „auch wenn das Herz noch nicht so weit ist“, entwickelte Cfr. Prof. Tolksdorf die Vorlesung, die wir an diesem Wochenende testen durften.

In einer ersten „Murmelrunde“ tauschten die Anwesenden sich aus: Woran leide ich momentan an der römisch-katholischen Kirche? Und was erträume ich mir von ihr?

Die aufgezählten Punkte – exemplarisch seien die mangelnde Kongruenz zwischen Beten und Handeln, fehlende Transparenz und eine „closed-shop“-Mentalität genannt – veranschaulichten, wie unsere Gesellschaft der Spätmoderne, geprägt von Traditionsabbrüchen, Mobilität, Individualisierung, Glokalisierung (Sehnsucht nach Heimat in einer unüberschaubaren Welt) und einer Diversität der Formen gesellschaftlicher Selbstverwirklichung auf ein althergebrachtes kirchliches Weltbild mit seinen Wertvorstellungen und eigener Sakramentalität stößt. „Das muss sich beißen“, erklärte Cfr. Prof. Tolksdorf. Wir müssten den Spagat wagen von einer Botschaft, die es wert ist, gehört zu werden, in eine Gesellschaft, die im Wandel begriffen ist. Dabei sei jeder in seiner eigenen Biographie gefordert. Es sei nötig, von alten Bildern Abschied zu nehmen, um das Alte neu zu fundieren. „Hauptsache, das Gute geschieht!“ – Unerlässlich sei eine Form der Christusverbundenheit, die äußerlich leicht mit der Haltung von Wohlfahrtsverbänden verwechselt werden kann: Wir sind eingeladen, an vielen Orten in der Welt präsent zu sein, am Arbeitsplatz, in der Familie, in Vereinen etc. und indirekte Bezüge zum Reich Gottes zu benennen, aber nicht selbstgefällig katholisch daher zu kommen. „Pastorale Gelegenheiten ereignen sich auch dort, wo Menschen sich im Alltag helfend, verstehend und verzeihend zuwenden.“

Christsein in der Spätmoderne – von der „Haltung“ eines Christenmenschen

In welcher Haltung kann ein Leben aus der Taufwürde den gesellschaftlichen Entwicklungen und möglicherweise unangenehmen Wirklichkeiten der Spätmoderne begegnen und gerecht werden? Ein anspruchsvoller Text über die Haltung forderte die Teilnehmenden zum Nachdenken und zur Diskussion heraus:

„...dass Haltung als ein dynamisches Konzept zu verstehen ist. Es ist die Kunst, seine Meinung fortwährend zu ändern. Dies geschieht nicht aus Opportunitätsgründen, sondern als ein Ringen um die eigene Identität. Wer Haltung zeigt, stellt sich als Person dem Veränderbaren gegenüber und bewährt sich im dialektischen Prozess als Subjekt. Indem das Subjekt das Fremde annimmt und es als Veränderbares zum Eigenen macht, wird es immer neu zum Subjekt. Menschen, die Haltung zeigen, stärken die Gemeinschaft und Gesellschaft also nicht dadurch, dass sie eine klare Meinung vertreten und dafür einstehen. Vielmehr machen sie den Subjektgedanken stark und sind Beispiele für die Notwendigkeit der Subjektwerdung.“

(Thomas Holtbernd, Verantwortliche Gelassenheit. Freiheit in Zeiten der Krise)

 

Vereinfacht gesagt müsse das Ziel sein, eine innere Herzenshaltung zu haben und auch die Bereitschaft, in einer Zeit wachsender Uneindeutigkeit eigene Werte immer wieder zu hinterfragen und zu neuen Maßstäben zu kommen, Herz und Verstand einzubringen und im Ringen um die eigene Identität immer wieder neu Subjekt zu werden. Gott spricht zu uns wie zu Freunden, und Freunde antworten; „Gelingt es uns, dort, wo wir arbeiten, ein neues Gottvertrauen zu wecken, dann ist schon viel geschehen. Es gibt heute keinen menschlicheren Dienst als die göttliche Gegenwart selbst zu bezeugen: ‚Das Licht leuchtet in der Finsternis.’ ( Joh 1,5).“ (H.-P. Kolvenbach SJ: Spiritualität als apostolische Aufgabe. In: A. Schönfeld SJ: Spiritualität im Wandel. Leben aus Gottes Geist.)

Wir sind nicht die ersten, die in herausfordernden Zeiten leben, und so entließ Cfr. Prof Tolksdorf die Anwesenden mit den ermutigenden Worten des Hl. John Henry Newman (1801-1890):

Führ liebes Licht, im Ring der Dunkelheit

führ du mich an.

Die Nacht ist tief, noch ist die Heimat weit,

führ Du mich an!

Behüte du den Fuß: der fernen Bilder Zug

begehr' ich nicht zu sehn –

ein Schritt ist mir genug.

Ich war nicht immer so, hab' nicht gewusst

zu bitten: Du führ an!

Den Weg zu schauen, zu wählen war mir Lust -

doch nun: führ Du mich an!

Den grellen Tag hab ich geliebt und manches Jahr

regierte Stolz mein Herz,

trotz Furcht: vergiss, was war!

So lang gesegnet hat mich Deine Macht,

gewiss führst Du mich weiter an,

durch Moor und Sumpf, durch Fels und Sturzbach,

bis die Nacht verrann

und morgendlich

der Engel Lächeln glänzt am Tor,

die ich seit je geliebt, und unterwegs verlor.

Unser Dank für ein erfüllendes Wochenende gilt dem Referenten, Cfr. Prof. Tolksdorf, dem Prior, dem Präsidenten und der Sekretärin der Norddeutschen Provinz, Cfr. S.E. Weihbischof Wilfried Theising, Cfr. Dr. Arnold Spallek und Csr. Margret Strake für die geistliche Leitung, die Organisation und die liebenswerte Betreuung während des Wochenendes.

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