In seinen regelmäßig erscheinenden „Reflections from the Holy Land“ berichtet der CEO des Lateinischen Patriarchats über das Leben der Christen und seine Arbeit. Eine Zusammenfassung dieses Berichts von Cornelia Kimberger, Vorsitzende der Heilig-Land-Kommission
Der CEO des Lateinischen Patriarchats, Sami El-Yousef, berichtet in seinen neuesten „Reflektionen aus dem Heiligen Land“ von der Situation der Christen in Israel, Palästina und Jordanien. Wie überall auf der Welt leidet in Zeiten der Pandemie vor allem die Wirtschaft mit einhergehender hoher Arbeitslosigkeit und den daraus resultierenden Folgen. Nach Jahren des stetig steigenden Tourismus liegt die Tourismusbranche im Heiligen Land am Boden mit Zehntausenden, die nun ohne Arbeit sind. Sami El-Yousef erstaunt es, dass Staaten mit hochentwickelten Wirtschafts- und guten Gesundheitssystemen mehr leiden müssen und schlechter mit der Pandemie und deren Auswirkungen zurechtkommen als manche Gebiete im Nahen Osten. Dort ist oft die Wirtschaft schwach, es herrscht Besatzung, es gelten strengste Reiseauflagen, und das Gesundheitssystem funktioniert nicht. Er verweist auf Gaza. Dort konnten in der Pfarrei sogar in diesem Jahr Sommerlager für die Kinder und Jugendlichen stattfinden, denn es gab dort keine Fälle von Covid- 19 - und das immerhin nach dreizehn Jahren Blockade.
Für Israel, Palästina und Jordanien gab es ziemlich bald sehr strenge Regularien, als das Virus die Welt eroberte. Damit konnte die Ausbreitung des Virus eingedämmt werden. Nun allerdings steigen die Zahlen der Coronafälle. In Israel sind aktuell ungefähr 115.000 Fälle und über 900 Tote zu verzeichnen. In Palästina stieg die Infektionszahl trotz strengster Auflagen auf 23.000 mit ungefähr 150 Verstorbenen. Sogar in Jordanien, das bisher viel besser „davon gekommen war“, sind es mittlerweile 2.000 Fälle mit 15 Toten. Auch im Heiligen Land haben die Menschen die Beschränkungen, die mit der Pandemie einhergehen, „satt“ und werden nachlässiger. Große Menschenansammlungen, Familienfeste mit vielen Feiernden sind nun die Orte, wo man sich ansteckt. Ein zweiter „Lockdown“ wird für alle mit ernsthaften Folgen verbunden sein.
Dankbar blickt das Lateinische Patriarchat auf die großzügigen Spenden, die es in den vergangenen Monaten erhalten hat, zurück. Ein Spendenaufruf des Großmeisteramts mit S.Em. Kardinal Filoni für den Covid-19-Fond erreichte im Mai 2020 die Statthaltereien zur humanitären Unterstützung der christlichen Geschwister im Heiligen Land. Zahlreiche Statthaltereien – so auch die deutsche – folgten diesem Aufruf. Sami El-Yousef war überwältigt von der Spendenbereitschaft, die nicht so selbstverständlich ist in einer Pandemiezeit, in der weltweit Menschen um ihre Existenz fürchten. Ein zweiter Spendenaufruf erging von S.E. Erzbischof Pierbattista Pizzaballa zur Unterstützung von Schulen in Palästina und Jordanien. Über 2.000 Familien wurden mit Lebensmittelcoupons, Hygiene- und Babyartikeln, Medikamenten und Zuwendungen für die Energiekosten unterstützt. Die Priester und Pfarrgemeinderäte, die mit örtlichen Behörden und Hilfsorganisationen zusammenarbeiteten, versuchen diejenigen zu unterstützten, die in größter Not sind. 1.238 Familien in Jordanien und 1.180 Familien in Palästina erhielten Unterstützung für das Schulgeld. Die Notwendigkeit zur Unterstützung im Bereich humanitärer Hilfe und Schulgeld wird sich allerdings – so befürchtet der CEO des LPJ- in den nächsten Monaten auf das Doppelte erhöhen. Daher wird das LPJ weiter um Spenden dafür bitten müssen.
Als einzigartig bezeichnet der CEO den Geist des Zusammenhalts der Christen während des Lockdowns, um die düsteren finanziellen Befürchtungen in eine gewisse Stabilität für die Zukunft zu verwandeln. Auf der einen Seite standen die Spendengelder, die ein Segen waren. Auf der anderen Seite stand die Unterstützung von einheimischen Christen in den Gemeinden und den Angestellten mit ihren Familien im Lateinischen Patriarchat. Bischöfe, Priester, Schwestern verzichteten freiwillig auf ihr bescheidenes monatliches Gehalt, damit im LPJ Gehälter bezahlt werden und humanitären und sozialen Verpflichtungen nachgekommen werden konnte. Das LPJ konnte 99% seiner 1.850 Angestellten in Vollzeit erhalten, ihnen damit ein Gefühl von Sicherheit und Kontinuität geben, da zur gleichen Zeit Ehepartner und Familienangehörige der Angestellten des LPJ arbeitslos wurden. Allerdings, so ist sich Sami El-Yousef sicher, kann dies nicht sehr viel länger aufrechterhalten werden, wenn die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen in den nächsten Monaten schlechter werden sollten. „Unser Plan ist es, unsere Angestellten so lange wie möglich voll zu beschäftigen!“, so der CEO.
Die Schulen haben in den vergangenen Monaten wunderbar gearbeitet. Das Homeschooling hat gut funktioniert. Das beweisen die Examensergebnisse, die sogar die Vorjahresergebnisse übertrafen. Als Resultat dieser Zeit des „distanzierten Lernens“ versucht man nun, die Hard- und Software zu verbessern sowie Lehrerkapazitäten aufzustocken. Das Schuljahr 2020/2021 soll nun in einer Kombination aus Online-und Präsenzunterricht stattfinden, wenn der Pandemieverlauf nicht wieder alles „über den Haufen wirft“. Der CEO stellt fest, dass die Pandemie gelehrt hat, mit Geduld, Flexibilität und Beharrlichkeit zu agieren: „Diese drei Qualitäten werden benötigt, wenn wir unseren Gemeinden und Schulen in sehr guter Art und Weise in der Zukunft dienen möchten.“
Die Projektarbeit im LPJ geht nun nach der Sommerpause weiter. Die größte Kirche Jordaniens in Al Jubeiha, die Platz für 1.000 Gläubige hat, ein von der Deutschen Statthalterei in den letzten Jahren besonders stark unterstütztes Projekt, wurde mit einer Sondergenehmigung während des Lookdowns mittlerweile fertiggestellt. Die Einweihungsfeier der Kirche soll nach Aufhebung der Reisebeschränkungen zusammen mit S.Em. Kardinal Filoni stattfinden.
In den letzten zwei Jahren wurde das LPJ administrativ und finanzpolitisch neu ausgerichtet. Der CEO ist mit dem Ergebnis soweit zu frieden. „Wir haben nicht auf allen Feldern Erfolg. Dort wo es noch Mängel gibt, sind wir dabei, diese zu beheben.“ Die Strukturen seien professionell, transparent, nachvollziehbar. „Die größte Schuldenlast, resultierend aus dem Bau der Universität Madaba, ist kürzlich geregelt worden, und befreit das LPJ von einer großen Schuldlast.“ In diesem Zusammenhang sei der Verkauf von Grundstücken bei Nazareth, die nach Einschätzung des LPJ für die christliche Bevölkerung ohne weiteren Nutzen und Bedeutung seien, unerlässlich gewesen. Für das LPJ sei dies eine besonders schmerzliche Entscheidung gewesen. In der Zukunft kann das LPJ sich nun stärker auf die Erfordernisse und Herausforderungen der vielen Aufgabenfelder im Heiligen Land widmen.
Neben der Arbeitslosigkeit und dem Leid der Christen bleiben die politische Situation (vorgesehene Annexion des Westjordanlandes) und die Unsicherheit, wie es weitergehen wird, wenn zum Coronavirus nun auch bald die Grippewelle über das Heilige Land zieht.
Sami El-Yousef weiß sich und seine christlichen Schwestern und Brüder im Heiligen Land aufgefangen und getragen von der weltweiten Solidarität in Zeiten der Pandemie, von der beispiellosen finanziellen Großzügigkeit und den Gebeten, nicht zuletzt von den Mitgliedern des Ritterordens.
September 2020
Cornelia Kimberger