Nach den letzten Pilgerreisen der Komturei St. Georg Ravensburg, die nach Israel, Ägypten und zur Via Sacra führten, standen im Frühsommer 2022 die beiden ältesten christlichen Länder der Welt auf dem Programm: Armenien und Georgien. 26 Ritter, Damen und Gäste hatten sich unter der Führung des Leitenden Komturs Cfr. Wolfgang Feil und des Reiseorganisators Cfr. Dirk Gaerte auf den Weg in den Kaukasus gemacht und erlebten dort zwei äußerst beeindruckende christlich geprägte Kulturländer zwischen Orient und Okzident.
Armenien
Die älteste Staatskirche der Welt
Die armenisch-apostolische Kirche gilt als die älteste Staatskirche der Welt. Die armenischen Christen berufen sich auf die frühe Missionierung durch die Apostel Thaddäus und Bartholomäus im 1. Jahrhundert und nennen sich daher apostolisch. Die eigentliche Christianisierung erfolgte durch Gregor den Erleuchter zu Beginn des 4. Jahrhunderts, als er den damals herrschenden schwer erkrankten König durch Gebete heilte und bekehrte, worauf dieser die christliche Religion für sein ganzes Reich anordnete.
Zeugnisse dieser langen christlichen Tradition sind eine Vielzahl kleiner und großer Kirchen, spektakulär über Schluchten thronende Klöster und die für Armenien berühmten kunstvollen Kreuzsteine. Die bekanntesten Klosteranlagen und großenteils Weltkulturerbestätten sind Noravankh, Thatev, Geghard, Sanahin, Haghpat, Goschawankh, Chor Virap und Akhtala.
Begegnungen der Pilgergruppe mit Einheimischen und Würdenträgern Armeniens
Neben der Besichtigung dieser großartigen Kulturgüter, die auch immer wieder den passenden Rahmen für geistliche Impulse boten, hatten die Reisenden - überaus kompetent und einfühlsam von ihrem hervorragenden Führer Dr. Hrayr Baghramyam geleitet und informiert - auch Gelegenheit zum Kontakt mit der Bevölkerung bei mehreren Mahlzeiten in einheimischen Familien. Herausragende Begegnung war die Audienz bei Erzbischof Nathan, der die Reisegruppe in Vertretung des erkrankten Katholikos Karekin II., des Oberhauptes der armenisch-apostolischen Kirche, in seiner Residenz in Edschmiatsin, dem religiösen Zentrum Armeniens, empfing und über seine Kirche informierte.
Eindrücke, die bedrückten und zum Nachdenken anregten
Den traurigen Kontrast zu den eindrucksvollen Kirchen und Klöstern und auch zu dem fabelhaften Handschriftenmuseum in Eriwan bildete das Genozid-Mahnmal in der Hauptstadt, das an den dunkelsten Abschnitt der armenischen Geschichte erinnert, immer mit frischen Blumen geschmückt ist und bei dem jedes Jahr am 24. April tausende Menschen des Völkermords von 1915 gedenken. Sehr bedrückend ist für die Armenier auch die Tatsache, dass ‚ihr‘ biblischer Berg Ararat - mit seinen 5100 Metern weithin sichtbar und das armenische Wappen zierend - seither zum Staatsgebiet der Türkei gehört. Schwer trägt das Land auch an dem Dauerkonflikt und dem 2020 verlorenen Krieg mit Aserbaidschan um die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region Bergkarabach.
Georgien
Ein Kontrast zu Armenien
Der zweite Teil der Reise ging in das Nachbarland Georgien, das als zweites Land nach Armenien christlich wurde, im Vergleich zum eher ruhigen Armenien lauter wirkt und spürbar große Befürchtungen mit Blick auf seinen aggressiven Nachbarn Russland hegt. Die lebendige Hauptstadt Tiflis, am Ufer des Mtkwari gelegen, hat eine schöne Altstadt mit Schwefelbädern, der Metechi-Kirche, der Sioni-Kathedrale und der Anchischati-Kirche und verfügt in ihrem historischen Museum über eine einzigartige Sammlung alter Goldschmiedekunst aus vier Jahrtausenden.
Begegnungen der Pilgergruppe mit Einheimischen und Würdenträgern Georgiens
Spiritueller Höhepunkt des Georgien-Besuchs war die Begegnung mit dem in Tiflis ansässigen Bischof Giuseppe Passotto, der seit 25 Jahren die kleine Gemeinde der katholischen Gläubigen in Armenien, Georgien und Aserbaidschan betreut, mit der Reisegruppe die Hl. Messe feierte und anschließend humorvoll und eindrücklich die Herausforderungen seines Amtes schilderte.
Der Besuch wichtiger Kulturstätten Georgiens
Über die alte georgische Hauptstadt Mzcheta mit dem Dschwari-Kloster und der Swetizchoweli-Kathedrale führte die Reiseroute auf der georgischen Heerstraße über den 2400 Meter hohen Kreuzpass mit einem Friedhof für deutsche Kriegsgefangene, die dort im Straßen- und Tunnelbau eingesetzt waren, in den großen Kaukasus. Heute sind es die Chinesen, die dort im Rahmen ihres strategischen Großprojektes der Neuen Seidenstraße einen großen Tunnel durch das Gebirge bauen.
Nördlichstes Ziel der Reise war der Ort Stepantsminda nahe der russischen Grenze mit der malerisch gelegenen Gergeti-Kirche vor dem schneebedeckten Gipfel des 5000 Meter hohen Kasbek.
Der vergleichsweise kurze, aber dennoch sehr informative Besuch in Georgien umfasste auch die Höhlenstadt Uplisziche aus dem 6. Jh. v. Chr. sowie den Besuch eines Weingutes mit Verkostung des georgischen Weines, dessen Anbau auf eine mehrere tausend Jahre alte Tradition zurückgeht.
Tief beeindruckt von den beiden christlichen Ländern, die im Spannungsfeld türkischer, russischer und aserbaidschanischer Bedrängung um ihr Überleben bangen, kehrte die Reisegruppe nach Hause zurück - fest entschlossen, dort für den Besuch der beiden faszinierenden Länder zu werben, und mit Dank an den armenischen Bischof in Deutschland Serovpé Isakhanyan, der den Kontakt nach Armenien vermittelt hatte.
Text: Regine Gaerte