Bericht der Vorsitzenden der Heilig-Land-Kommission
Das St. James Vikariat für Hebräisch-Sprechende Katholiken in Jerusalem, das der gebürtige Libanese Pfarrer Rafic Nahra leitet, ist eines von sechs Vikariaten des Lateinischen Patriarchats. Es kümmert sich speziell um Katholiken in Israel, die keine Palästinenser sind. In fünf Gemeinden – in Jerusalem, Jaffa, Beer Sheba, Haifa und Tiberias – sorgen Priester für die hebräisch sprechenden, in Haifa und Latroun für die russisch sprechenden Katholiken. Im Jahr 2015 feierten die hebräisch sprechenden Gemeinden ihr 60-jähriges Jubiläum.
Fr. Rafic betont auf Anfrage, dass keine genauen Zahlen, nur Schätzwerte, genannt werden können, wie viele Christen genau dem Vikariat angehören. „Es sind einige hundert hebräisch Sprechende‚ Lateinische, und ungefähr 100 russisch sprechende Katholiken in unseren Gemeinden.“ Um die vielen katholischen Arbeitsmigranten von den Philippinen, aus Indien und Afrika, Sri Lanka, Lateinamerika und Osteuropa und um Asyl suchende Katholiken aus Eritrea und dem Sudan sorgt sich das Lateinische Patriarchat seit 2011. Administrator Erzbischof Pizzaballa hat im Jahr 2018 für die Migranten und Asylanten ein eigenes Vikariat gegründet: Das Vikariat für Migranten und Asylanten (VMAS). Dieses ist ebenfalls Patriarchatsvikar Fr. Rafic Nahra unterstellt. Auch hier sind die Zahlen der zum Vikariat gehörigen Christen nur Schätzwerte. Fr. Nahra geht davon aus, dass ungefähr 80.000 katholische Migranten im Land sind. Von diesen feiern 37.000 den lateinischen Ritus. Die indischen Migranten zelebrieren den syro-malabarischen Ritus (rund 2.500), der den „Thomas-Christen“ zuzuordnen ist. Die Christen der Ukrainisch-griechisch-katholischen Kirche (ca. 40.000) feiern den byzantinischen Ritus, die Äthiopier und Eritreer den Ge‘ez-Ritus (einige Hundert). Somit präsentiert das Vikariat die bunte katholische Welt. Die verschiedenen Riten feiern Priester aus den jeweiligen Heimatländern der Migranten und Asylanten, die dem Vikariat angehören. Im Süden von Tel Aviv finden im Zentrum „Our Lady of Valour“ an Samstagen und Sonntagen zahlreiche Gottesdienste in diesen verschiedenen Riten statt, und die Kirche ist immer voll. Dort ist auch die Gegend, wo viele der Asylanten und Migranten unter zum Teil sehr unwürdigen Verhältnissen, teilweise sogar im „Bettenschichtwechsel“ leben.
Aber wie lange noch? Längst haben Immobilienunternehmen die Lage beim Busbahnhof für sich entdeckt, und es soll teurer Wohnraum geschaffen werden. „Die Lebensbedingungen dieser Menschen sind wirklich schwierig“, beschreibt der Priester die Lage. Es ist die Aufgabe der Kirche, diese Migranten und Asylanten zu begleiten, für sie da zu sein. Der Glaube ist ihr Anker und gibt ihnen Kraft. Zum Glück können nun die Tagesgebete im Internet für die Gläubigen des Vikariats auf Hebräisch angeboten werden. Hebräisch, die Sprache, die sie alle eint. In„ Our Lady of Valour“ findet das Gemeindeleben statt, dort wird geheiratet, dort feiern Kinder gemeinsam Gottesdienst, dort finden die Migranten und Asylanten spirituelle Begleitung und Hilfen auch für den für sie so schweren Alltag.
Einen besonderern Schwerpunkt der Arbeit der beiden Vikariate bildet die Kinder- und Jugendpastoral in Israel. Zusammenarbeit ist angesagt.
Fragen der altersgerechten Erziehung, der Fürsorge stehen im Mittelpunkt. Auf den Familien- und Gemeindewochenenden sind der Glaube, die Erziehung und die Lösung von Konflikten das zentrale Thema. Für Kinder und Jugendliche gibt es am Nachmittag und am Wochenende Gruppenstunden. Der interreligiöse Dialog mit Juden und Muslimen wird gepflegt. So zum Beispiel, wenn Christen des St. James Vikariats zusammen mit jüdischen Freunden im Ramadan Muslime am Abend zum Fastenbrechen mit Speisen besuchen.
Die Deutsche Statthalterei kümmert sich seit 2010 intensiv um die Arbeitsmigranten und Asylanten in Israel. Besonders die Tatsache, dass Kinder bis zu drei Jahren in Israel nur privat betreut werden, sorgte und sorgt die Damen und Ritter der Deutschen Statthalterei. Kosten für eine teure Unterbringung ihrer Babys können sich Arbeitsmigrantinnen nicht leisten. Jeder Schekel, den sie verdienen, wird dringend benötigt für das tägliche Überleben und für die in der Heimat Gebliebenen, die so sehr auf die Zuwendungen angewiesen sind. Die Frauen arbeiten in Berufen, die – wie überall in wohlhabenden Ländern der Erde - von den Einheimischen nicht erledigt werden wollen: Sie sind tätig im Reinigungssektor, in der Kranken-und Altenpflege, in Restaurants, Hotels, als Hausmädchen in israelischen Familien. Oft werden die Frauen ungewollt schwanger. Wohin mit dem Baby, während sie arbeiten müssen? Daher haben sich viele der Mütter für eine „Billigvariante“ der Betreuung entschieden. Oft werden mehr als 50 Kleinkinder von einer Person beaufsichtigt, sofern man davon überhaupt sprechen kann. Schon einige der so betreuten Kinder sind verstorben: weil sie beim Trinken aus der Flasche erstickt sind; weil sich niemand um sie kümmerte, als sie krank waren. Diesen Notstand – immerhin handelt es sich inzwischen um rund 5.000 Babys - hat der Jesuitenpater David Neuhaus (Vorgänger von Fr. Rafic Nahra) in den Fokus gerückt und im Vikariat in Tel Aviv ein neues Betreuungskonzept geschaffen. In neun Kleingruppen werden dort inzwischen 63 Babys (von 3 Monaten bis 3 Jahre) versorgt, während ihre Mütter zur Arbeit gehen. Zudem werden 15 Schulkinder dort an einem Nachmittag betreut.
Im Rahel Center in Jerusalem haben 28 Kleinkinder einen Betreuungsplatz gefunden. Am Nachmittag zur Hausaufgabenbetreuung und zum Spielen gibt es Platz für 25 Kinder und in den Sommerferien für 70 Kinder. Israelische NGOs (wie z.B. UNITAF) haben nun damit begonnen, rund 1.300 Kleinkinder in Tageseinrichtungen zu versorgen. Eine kleine Hilfe sei nun in Zeiten der Corona-Pandemie, so Fr. Rafic, dass die Stadtverwaltung von Tel Aviv und das philippinische Konsulat Babygruppen kleine Mengen an Gemüse, Früchten und Spielsachen zur Verfügung stellt. Er hofft, dass auch die Jerusalemer Verwaltung bald Hilfsmaßnahmen unternimmt. „Die katholische Kirche hilft Migranten, die nun im Zuge der Pandemie ihre Arbeit verloren haben, mit Zuschüssen für die Miete und Gutscheinen für Nahrungsmittel.“ Seit ein paar Tagen läuft ein Spendenaufruf von Seiten des Vikariats übers Internet für arme, arbeitslose Migranten und Asylanten.
Die Damen und Ritter helfen mit ihren Spenden auch, die Krankenversicherungen für die Angestellten des Vikariats und der Betreuerinnen der Babys zu bezahlen, für die Migrantenkinder und für einige Eltern, die illegal in Israel leben und daher auch nicht arbeiten können.
Fr. Rafic: „Wir sind den Damen und Rittern dankbar für ihre Großherzigkeit, damit wir die verschiedenen Dienste zum Wohle der Migranten und Asylanten fortführen können. Wir beten für Sie, liebe Mitglieder der Deutschen Statthalterei, in dieser schwierigen Zeit des Corona Virus. Der liebende Gott möge sie alle behüten!“
Cornelia Kimberger im Mai 2020