Bei wunderschönem spätsommerlichem Wetter fand am 29./30. Oktober 2022 der Ordenstag der Provinz Rhein-Main des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem im St. Bonifatiuskloster in Hünfeld statt.
Verständigung unter den monotheistischen Religionen
Nach einer fröhlichen Begrüßung bildete die Kapitelsitzung den Auftakt des Ordenstages. Provinzpräsidentin Csr. Ricarda Schulze Dieckhoff und Provinzprior Cfr. Georg Müller stimmten in ihrer Begrüßung bzw. geistlichen Einstimmung die rd. 50 Teilnehmer auf die anstehende Thematik des Treffens „Verständigung unter den monotheistischen Religionen“ ein. Grundtenor der Ansprache des Provinzpriors war das „Verstehen der Religionen“ wie es die Hl. Edith Stein und der Hl. Charles de Foucould und insbesondere Christian de Cherge, Trappist und Prior des Klosters von Tibhirine in Algerien, vorgelebt hätten.
Rückblick auf das Jahr 2022 und Ausblick auf 2023
In ihrem Jahresbericht 2022 fasste Provinzpräsidentin Csr. Ricarda Schulze Dieckhoff die wichtigsten Ereignisse der letzten Monate zusammen.
So wurden in den beiden Investituren im Jahr 2022 sechs Ordensmitglieder promoviert und vier Mitglieder wurden in unsere Ordensgemeinschaft aufgenommen. Drei Ordensmitglieder wurden in das Himmlische Jerusalem aufgenommen.
Die Präsidentin informierte über personelle Änderungen in der Provinz und sprach den aus dem Amt Scheidenden ein herzliches Dankeschön aus und wünschte den neuen Amtsträger viel Freude bei der Ausübung ihres Amtes.
Ein besonderes Fest in der Provinz war die Feier des 40-jährigen Bestehens der Komturei Hrabanus Maurus Fulda 11. September 2022, da in Anwesenheit des Statthalters S.E. Cfr. Dr. Michael Schnieders mit einem feierlichen Gottesdienst und anschließendem Festvortrag von Cfr. Matthias Kopp zum Thema „Hoffnung oder Untergang? Zur Lage der Christen im Heiligen Land“ begangen wurde. Nach einem Hinweis auf die Reise ins Hl. Land im Oktober 2023 avisierte die Präsidentin den im Advent kommenden Spendenaufruf für die Christen im Hl. Land.
Zum Abschluss ihres Berichtes wies sie auf die Provinzveranstaltungen im nächsten Jahr hin.
Die Provinzschatzmeisterin gab anschließend einen Überblick über die Finanzen und zeigte sich zufrieden mit der Spendenbereitschaft der Provinzmitglieder.
Die Berichte aus den Komtureien stimmten darin überein, dass die Treffen im zurückliegenden Jahr alle coronakonform stattgefunden haben, jedoch das eine oder andere auch abgesagt werden musste. Erfreulicherweise fanden Reisen ins Hl. Land und zu den Passionsfestspielen nach Oberammergau statt. Für 2023 sind die Reiseplanungen im Gange (Polen etc.; Details im neuen Jahr). Alle Komtureien haben zurzeit Gäste.
Allen bin ich alles geworden (Kor 9,22)
Im weiteren Verlauf des Tages trug Cfr. Joachim Reger, Prior der Komturei Regina Coeli Speyer/Kaiserslautern, seine Gedanken zum interreligiösen Verstehen (nicht: Verständigung)„Allen bin ich alles geworden (Kor 9,22)“ vor.
Er bezeichnete sich selbst als Phänomenologen und konnte als Islambeauftragter des Bistums Speyer, der auch Muslimen Islamunterricht erteilt, aus seinen Erfahrungen kurzweilig, anschaulich, humorvoll und auch ein Stück weit provokant berichten.
Er ist der Überzeugung, dass sich Gott auf die weltliche Wirklichkeit des Menschen einlässt. Einander verstehen wollen, heißt, Interesse für den andern zeigen - „Dasein“ als ein Akt der Selbstverleugnung bzw. einer Selbstbegrenzung der eigenen Wichtigkeit. Auch er führt Charles de Foucould an. Die Grundvoraussetzung eines jeden Dialogs ist für ihn die Liebe.
Und: die säkulare Gesellschaft muss verstehen, dass Religion keine Privatsache ist. Aber Religion ist keine Folklore, sie ist die vitalste Energie der Menschheit.
Verzicht auf Evangelisierung ist der Kern der Evangelisierung.
Die Diskussion hierüber als Ausdruck der Gemeinschaft
Aus dem hier sehr verkürzt dargestellten Vortrag ergab sich eine rege Diskussion.
Was wird bei einem Wegfall des Missionsauftrages aus der Verkündigung? Das Ausbleiben des christlichen Nachwuchses ist erschreckend, muss aber ausgesprochen werden. Der Glauben muss von Gläubigen überzeugend gelebt werden (verstehen wollen / zuhören), um Streuwirkung zu erzeugen.
Kann eine Diskussion stattfinden, wenn Jugendliche nicht an Religion interessiert sind? Die Jugendlichen muss man nach ihren Zielen fragen! Geduldig Zeugnis geben und beharrlich bleiben.
Herrscht in der oberen Kirchenhierarchie eine ähnliche Denkweise wie sie Cfr. Reger hat oder wird dort nur in Strukturen (synodaler Weg) gedacht? Cfr. Reger stellt eine Fixiertheit auf bestimmte Themen fest statt entschlossen für die Zukunft zu planen; er beklagt das Fehlen der visionären Kraft.
Die Zahl der Theologiestudenten sinkt rapide! Junge Menschen haben ein Bedürfnis nach Gerechtigkeit. Ökologie ist den jungen Menschen wichtig. Sie haben Ideale. Liebe und Ansprache werden vermisst.
Sind Strukturen und deren Wandel, also der synodale Weg, nicht doch wichtig, damit die Kirche als relevanter Partner gesehen wird? Aufarbeitung der aktuellen Themen ist wichtig, aber die eigentlichen Fragen für die Zukunft liegen woanders. Organisation in Kirche ist notwendig, aber ein authentisches Vorleben geht nicht über Strukturen.
Der Abschluss des ersten Tages
Nach dem Abendessen feierten die Teilnehmer unter der Leitung von Provinzprior Cfr. Georg Müller in der Klosterkapelle eine Vesper, die mit einem Gedenken der im letzten Jahr aus der Provinz Verstorbenen schloss.
Die Klosterschänke bot den idealen Rahmen für einen fröhlichen Ausklang des Tages.
Warum bin ich im Orden (in der Kirche) ?
Dank der Zeitumstellung war die Nacht eine Stunde länger und der Sonntag begann nach dem reichhaltigen Frühstück mit Impulsvorträgen der Provinzpräsidentin und des Provinzpiors zum Thema „Warum bin ich im Orden (in der Kirche)?“.
Cfr. Dr. Ingo Ley moderierte die persönlichen Zeugnisse und Standortbestimmungen. Es wurde deutlich, dass eine Trennung von Glauben und Kirche/Orden (Struktur) nicht möglich ist, was sich auch in der Berufung zur Bezeugung des Evangeliums und dem Ordensgelübde zeigt. Der Orden soll sich bewusst auf die Grundlage des Glaubens, des Gebets und der Verantwortung für andere stellen als Teil einer Glaubensgemeinschaft, die die Welt umspannt. Positiv wurde festgestellt, dass die Ordensgemeinschaft sich in den zurückliegenden Jahrzehnten geöffnet hat. Auf den Reisen ins Hl. Land sehen die Mitglieder, was mit ihren Beiträgen für die Menschen dort geschaffen wird. Viele Anwesende sprachen ihre Dankbarkeit für die geistlichen Impulse in den Ordenstreffen aus und sind froh für die Gemeinschaft, die in der Ordensfamilie erlebt wird und die Kraft für den Alltag gibt.
Und dann wurde der Bogen zum Thema vom Vortag geschlagen:
Die Verständigung unter den Religionen bedingt den Versuch des Verstehens als Grundlage des Friedens – z. B. vom Orden unterstützte Projekte in Universitäten, Kitas, Schulen und anderen Einrichtungen mit einem großen Anteil muslimischer Studenten, Kinder, Jugendlicher sowie alleinerziehender Frauen mit Kleinkindern. Dort wird friedlich nebeneinander gelebt. „Das“ muss die Zukunft sein.
Gott vertraut uns
Im Gottesdienst in der Klosterkirche ging Provinzprior Cfr. Georg Müller auf das Tagesevangelium über Zacharias und das Thema der Berufung ein. Der Fingerzeig Gottes meint uns alle. Er ruft uns und traut uns zu, die Welt besser zu machen und unseren Mitmenschen zu helfen.
Danksagung
Am Ende des Gottesdienstes dankte die Präsidentin allen, die zum Gelingen des Wochenendes beigetragen haben, und meinte, dass sie das Gefühl habe, doch gerade erst begrüßt zu haben, so schnell seien die beiden Tage mit guten Gesprächen und Diskussionen vergangen. Mit einem Ständchen für Geburtstagskind Csr. Marion Helff wurde der Gottesdienst und anschließend mit einem Mittagessen der Provinztag 2022 beendet.
Csr. Michaela Walter