Zur Epiphanie, dem Tag der Erscheinung des Herrn, führt Cfr. PD Dr. Joachim Reger, Prior der Komturei Regina Coeli Speyer/Kaiserslautern aus, was der Kern unserer Hoffnung ist.

Die Intuition der Jugendlichen

Bei Schulgottesdiensten kommt es hin und wieder vor, dass mitfeiernde Jugendliche die Hostien beim Kommuniongang heimlich teilen, um eine Hälfte der Kommunion den in der Schule verbliebenen Mitschülern und Mitschülerinnen zukommen zu lassen. Die unmittelbare Reaktion auf einen solch vermeintlichen Missbrauch ist vielfach Empörung, die Ahndung des Sakrilegs und dessen zukünftige Unterbindung. Ein solches Verhalten dürfe nicht toleriert werden.

Der tiefe gehende Blick offenbart indes eine Motivation der jungen Leute, die nichts mit Respektlosigkeit zu tun hat. Sie möchten das, was ihnen wichtig, ja heilig ist, mit den Menschen teilen, die nicht am Gottesdienstgeschehen teilhaben können oder wollen. Sie haben ein intuitives Gespür und tun etwas Richtiges. Es ist ihnen ein Bedürfnis, die Erfahrung der Gemeinschaft im Gottesdienst auf die Menschen ihrer Welt auszudehnen, sie teilhaben zu lassen an der Freude und Begeisterung, die sie erfüllt. Die Jugendlichen zeigen missionarischen Geist, nicht im Sinne eines Wahrheitsanspruchs, der überzeugen will, sondern verstanden als Ausdruck einer Freude, die sie mit anderen teilen wollen. Zum Sakrileg sind sie nicht fähig, da keine religiöse oder kirchliche Prägung existiert.

Epiphanie als Symbol der Mission, des universalen Anspruchs

Das Fest Epiphanie, Erscheinung des Herrn, thematisiert die Anbetung der drei Könige, der drei Weisen beziehungsweise Magier, die aus fernen Ländern und Kulturen Christus, dem wahren König, huldigen. Neben den zahlreichen Interpretationen des Festes bringt das Geschehen daher die universale Bedeutung Christi zum Ausdruck. Die Könige der Welt sammeln sich um den wahren König, der als Zentrum aller Reiche und Kulturen angesehen wird. Von der Krippe aus gehen die Könige in die Weite der Welt hinaus und verkünden ihren Kulturen die Botschaft von der Geburt des Erlösers, der Licht in ihre Finsternis bringen möchte. Die drei Könige wurden daher zu dem Symbol für die Mission, dem universalen Anspruch des Christentums.

Die bleibende Sehnsucht nach Gemeinschaft und Liebe

Das oben erzählte Handeln der Jugendlichen, ja die Situation vieler Menschen heute ist weit von dieser Vorstellung entfernt. Christus ist für sie nicht mehr die Mitte der Welt. Huldigungen sind eher selten. Das Leben der Menschen scheint ohne Gott, Christus und besonders die Kirche zu funktionieren. Der Alltag bei uns ist weitgehend ein in sich geschlossenes Gefüge, das sich selbst Licht sein will. Menschliches Leben scheint ohne Religion zu gelingen, 24/7. Dessen ungeachtet hat sich aber die Sehnsucht nach Erfüllung und Heil, nach Gemeinschaft und Liebe in der Gesellschaft und gerade bei den Jugendlichen erhalten. Sie hat nur weitgehend die Rückkopplung an die Religion, an kirchliche Formen verloren und geht, selbst im Gottesdienst, wie die einleitend geschilderte Beobachtung zeigte, ihre eigenen Wege.

Die Kirche in Deutschland scheint gegenwärtig an dieser Sehnsucht der Menschen wenig Anteil zu nehmen. Sie kreist vielfach um sich selbst, ghettoisiert sich zunehmend, ohne gesellschaftliche, ja kulturelle Weite. Ihre missionarische Kraft geht verloren. Es fehlt der Stern, dem die Kirche folgen soll, die Erkenntnis des richtigen Weges. Worin kann er bestehen?

Die Menschwerdung Christi als Weg

Die Geburt Christi, seine Menschwerdung ist nicht nur der Anlass der Huldigung der Könige, sondern ist gleichfalls ein Wegweiser für die Kirche heute. Christi Menschwerdung offenbart Gott als den, der eingeht in die Welt. Gott mischt sich ein und überwindet damit jede Ghettoisierung und Absonderung. Er bleibt nicht bei sich, sondern zeigt Interesse für die Welt. Er ist bereit, sich selbst zu geben, um den Menschen Licht zu sein. Das Kreuz zeigt in seiner Radikalität Gottes Willen, bei den Menschen zu sein. Es wird zum Höhepunkt wahrer Menschwerdung.

Die Kirche sollte wie Christus eingehen in die Welt, sollte ganz zu verstehen suchen und so die Selbstghettoisierung überwinden. In der bleibenden Suche und Vergewisserung der eigenen religiösen Identität erwächst jener Freiraum, der ganz vorbehaltlos verstehen lässt. So kann die Kirche den mühsamen Weg der Einfühlung (hl. Edith Stein) gehen, Kernpunkt jeder Evangelisierung. Der Kirche, den Christen wird zugemutet, fremde Welten zu erkunden, bei ihnen, in ihnen zu sein, ihre Sprache zu lernen (hl. Charles de Foucauld), zurückhaltend, einfühlend zu sein, wenn es darum geht, ihnen die Botschaft des Evangeliums bringen zu wollen.

Verstehen als Grundhaltung der Kirche

Erscheinung des Herrn heute wird möglich in der Besinnung auf das, was der Kern unserer Hoffnung ist: In Christus ist Gott Mensch geworden. Er hat sich ganz auf die Welt eingelassen und wurde zum Licht der Welt. Die Gewissheit dieser Hoffnung macht Mut, den anstrengenden Weg des Verstehens zu gehen, sich selbst ganz einzulassen. Der hermeneutische Prozess der Einfühlung ist kongenial zum Weg Christi. Er kann der Kirche helfen, ihre Ghettoisierung zu überwinden, den Horizont zu weiten, um die Könige der heutigen Welt zu verstehen, die Kulturen und Religionen der Nationen und auch sich selbst.

Die Bereitschaft zur hermeneutischen Anstrengung des Verstehens ist in der Menschwerdung Christi somit exemplarisch vorgegeben. Sie bewegt nicht nur, das Licht Christi in der Welt zu bezeugen, das Gespräch mit anderen Religionen zu suchen, sondern kann auch der Kirche helfen, ihre Spaltung zu überwinden, den richtigen Weg zu gehen.

Neugier und Einfühlung als Weg der Zukunft

An Erscheinung des Herrn huldigen die heiligen drei Könige dem Königtum Christi. Christi Königtum besteht darin, ganz in die Welt einzugehen, ganz Mensch zu werden. Durch ihre Anbetung und ihre kulturelle Vielfalt symbolisieren die Könige die Notwendigkeit, aber auch die Zumutung, offen zu sein für die Weite der Welt, der Religionen, aber auch gegenüber dem Fremden in der eigenen Kirche. Unser Orden, der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem, der im Heiligen Land in einer fremden Kultur mit anderen Religionen agiert, ist hier besonders gefordert. Neugier, Dialog, Verstehen ist die zentrale Grundhaltung, die uns die Menschwerdung Gottes an Weihnachten offenbart. Da Gott eingeht in die Welt, sollen auch wir offen sein für die Welt, die Religionen und die Kulturen, ja auch für das Fremde in der eigenen Kirche. Es gilt wirklich verstehen zu wollen. Die Klarheit über das Licht, das uns erleuchtet hat, schenkt die nötige Weite, den verstehenden Blick. Das intuitive Verhalten der Schülerinnen und Schüler, von dem eingangs gesprochen wurde, ist dann kein Sakrileg, sondern Anknüpfungspunkt, Chance ….

Cfr. PD Dr. Joachim Reger, Prior der Komturei Regina Coeli Speyer/Kaiserslautern

OESSH Deutsche Statthalterei

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