Liebe Ordensgeschwister!
„Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt (Mt 24, 42)“. Eine seltsame Einleitung für die Adventszeit, wir wissen es doch eigentlich ganz genau: am 25. Dezember, und das seit 2022 Jahren. Jesu Wort wird aber noch seltsamer: Er vergleicht sich selbst mit einem nächtlichen Einbrecher und Dieb. Um dann anzukündigen und zugleich zu fordern: „Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet (Mt 24, 43-44)“.
Drohung, oder frohe Kunde
Der Text klingt apokalyptisch, bedrohlich, angsteinflößend, so kurz vor Weihnachten. Will Christus uns in Endzeitstimmung versetzen? Drohbotschaft statt Frohbotschaft? Schauen wir in die Welt, könnte einem angst und bange werden, bedrohliche, ja lebensbedrohliche Krisen überall ...
Der Herr ist da!
„Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt“. Tatsächlich wissen wir es nicht. Aber als heutige Christen müssen wir das auch nicht – denn er ist ja schon da! Nur eben anders, nicht in leiblicher Gestalt, sondern im Tabernakel, rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr. Und in jeder Heiligen Messe kommt er aufs Neue zu uns!
Freuen wir uns auf das Heute
Liebe Ordensgeschwister, wenn wir diese Stelle des Matthäus-Evangeliums lesen, dann sehen wir sie meist vom Ende her. Heute möchte ich Sie zu einem Perspektivwechsel einladen. Kein Blick also in eine nahe, fernere oder gar ferne Zukunft – sondern ein Blick auf das hier und jetzt. Nicht die bange Frage: Wie wird es einmal sein? – sondern das fröhliche: Ja, Herr, hier bin ich! Und ich freue mich, Dir begegnen zu dürfen!
Die Kraft der kleinen Schritte
Angst vor der Zukunft ist ein schlechter Ratgeber. Sie bremst, wo Mut und Tatkraft gefragt sind, sie bringt Unsicherheit und Misstrauen, wo Hoffnung und Zuversicht notwendig wären. Nehmen wir aber die Gegenwart Christi in den Blick und lassen uns von der Gewissheit leiten: Er ist da, hier und jetzt! –, dann wird das unseren Alltag verändern. In kleinen Schritten zwar, aber wir werden es spüren. Alltägliches ist dann eben nicht mehr alltäglich, denn Christus freut sich mit uns, wenn wir uns freuen, er ist traurig, wenn wir es sind. Jedes liebe Wort, jeder freundliche Blick, jedes gute Tun, ob klein, ob groß – in allem ist Christus immer gegenwärtig – wenn wir ihn gegenwärtig sein lassen!
Vertrauen in Gott bedeutet Vertrauen in die Zukunft zu haben
Zu den ritterlichen Tugenden gehört es zu vertrauen. Auf Gott den Vater, auf seinen Sohn Jesus Christus, auf den Heiligen Geist. Und auf die Fürsprache der Königin von Palästina, der Gottesmutter Maria. In dem kleinen Wörtchen „vertrauen“ steckt die Einladung, sich zu trauen, das Leben mutig anzupacken, sich zu trauen, die Zukunft zu gestalten. Wer sonst, wenn nicht wir?
Unser Leben kann sich ändern. Wenn es sich aber schon jetzt ändern kann, dürfen wir uns dann nicht viel mehr auf das Morgen freuen? Und zuversichtlich rufen: Herr, ich weiß zwar nicht, wann Du kommst – aber ich weiß, dass Du kommst, dass Du wiederkommst! Hier bin ich, ich bin bereit!
Eine gesegnete Zeit des Advents wünscht Ihnen, liebe Ordensgeschwister,
Ihr
P. Winfried Schwab OSB