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Im Orient sind Politik und Religion unentwirrbar verschlungen

Am 6. Juli 2022 hielt Michael Mertes auf Einladung der Komturei St. Meinwerk in Paderborn einen Vortrag zum Thema „Im Orient sind Politik und Religion unentwirrbar verschlungen“

Vortrag von Michael Mertes in Paderborn

„Im Orient, insbesondere auch im Heiligen Land, ist Religion keine Privatsache, keine Frage der Innerlichkeit. Gläubige demonstrieren ihre religiösen Überzeugungen in der Öffentlichkeit. Religion und Politik sind oft unentwirrbar verschlungen“.

So fasste Michael Mertes, der auf Einladung Komturei St. Meinwerk Paderborn am 6. Juli in Paderborn einen Vortrag über den interreligiösen Dialog im Heiligen Land hielt, seine Einschätzung zusammen.

Mertes war von 2011 - 2014 Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem. Zuvor war er viele Jahre im Bundeskanzleramt beschäftigt, u.a. als Leiter der Planungs- und Kulturabteilung und Chef der Abteilung, in der die Reden für Bundeskanzler Kohl geschrieben wurden.

Er berichtete über seine Erfahrungen aus seiner Zeit im Heiligen Land.

Der Dialog zwischen den monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam gestalte sich im Heiligen Land schwierig.

Anders als Europäer verstünden die Angehörigen dieser drei Religionen im Nahen Osten ihre Religion nicht als Privatsache, sondern zeigten ihre religiösen Überzeugungen öffentlich und verbänden sie häufig mit politischen Aussagen. Das kompliziere den interreligiösen Dialog.

Das Judentum sei sehr pluralistisch und heterogen. Die meisten israelischen Juden verständen sich nicht nur als Angehörige einer Religionsgemeinschaft, sondern als Volk bzw. definierten Israel als jüdischen Nationalstaat.

Auch aus Sicht der Palästinenser sei das Judentum nicht nur eine Religionsgemeinschaft, sondern nationale Grundlage des Staates Israel, als dessen Vertreibungsopfer sich viele Palästinenser fühlten.

Politik sei daher von Religion bei allen Diskussionen nicht zu trennen.

Das wirke sich auch aus auf den Dialog zwischen Christen und Juden im Heiligen Land.

Während europäische Christen den Dialog mit dem Judentum suchten, auch um das Verhältnis von Christentum und Judentum zu bereinigen nach einer europäischen Geschichte, in der der Antijudaismus von Feindschaft der Christen getrieben gewesen sei, teilten die orientalischen Christen diesen Ansatz nicht, weil sie sich für den Antijudaismus und die Pogrome der europäischen Geschichte nicht verantwortlich fühlten. Der Dialog sei daher oft nur ein Dialog zwischen westlichen Christen und dem Judentum. Dabei sei doch allen Christen klar, dass die Wurzel des Christentums im Judentum liege, dass das Neue Testament ohne das Alte Testament weder denkbar noch zu verstehen sei.

Ein Dialog zwischen Christen und Muslimen gebe es im Heiligen Land, von Einzelinitiativen abgesehen, praktisch nicht.

Angesichts der Verquickung von religiösen Überzeugungen und politischen Ansprüchen könne in manchen Bereichen der Gesellschaft ein praktisches Zusammenarbeiten nur gelingen, weil ein von Allen akzeptierter Status quo akzeptiert werde.

In staatlichen Einrichtungen wie Universitäten und Krankenhäusern sei Konsens, dass die religiösen Überzeugungen für die tägliche Arbeit keine Rolle spielen dürften.

Hinsichtlich des Tempelbergs in Jerusalem respektiere auch der israelische Staat den Status quo, der nach dem israelisch-jordanischen Friedensvertrag den jordanischen König als Hüter der Heiligen Stätten auf dem Tempelberg akzeptiere und auf dem Tempelberg nur muslimische Gebete zulasse. Das führe zwar immer wieder zu Konflikten mit jüdischen Gruppen, die auf dem Tempelberg beten wollten oder sogar den Anspruch erhöben, dort den Tempel wieder zu errichten, der Status quo werde aber vom Staat Israel strikt beachtet, um Provokationen zu verhindern.

Mertes äußerte sich skeptisch über die Chancen einer baldigen Friedenslösung.

Von allen diskutierten Modellen komme eigentlich nur die Zwei-Staaten-Regelung in Betracht, also ein Nebeneinander des jüdischen Staates und eines palästinensischen Staates, wie es die UNO bei der Gründung des Staates Israel vorgesehen hatte.

Die Vorstellung, aus Israel und den seit 1967 von Israel besetzten Palästinensergebieten einen Staat zu machen mit Gleichberechtigung aller Bürger, stelle Israel als jüdischen Staat in Frage. Schon die demographische Entwicklung werde dazu führen, dass der jüdische Anteil der Bevölkerung eines solchen Staates in die Minderheit geraten werde. Damit sei das Grundkonzept der Staatsgründung Israels, als jüdischer Staat eine Zufluchtsstätte für Juden aus der ganzen Welt zu sein, infrage gestellt.

Eine Zwei-Staaten-Regelung werde aber mit jedem Tag schwieriger, mit dem die israelische Siedlungspolitik in Palästina so fortgesetzt werde wie bisher.

Der leitende Komtur des Ritterordens Cfr. Dr. Bernhard König zitierte David Ben Gurion, den Gründer und ersten Präsidenten Israels: „Wer in Israel nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“.

Mertes mahnte, die Christen im Heiligen Land nicht zu vergessen.

Es sei wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die ersten Christen im Heiligen Land gelebt hätten, dass alle Christen aus dieser Wurzel lebten und dass alles getan werden müsse, die Existenz der christlichen Gemeinschaften im Orient abzusichern.

Dazu leiste der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem einen wichtigen Beitrag, für den er dankbar sei.

Cfr. Dr. Bernhard König, Leitender Komtur der Komturei St. Meinwerk Paderborn

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