Dompräbendar Cfr. Dr. Wolfgang Hartmann, Prior der Komturei Hrabanus Maurus Fulda, erläutert uns in seinem Impuls zu Weihnachten, warum die Schönheit Gottes bleibt, und in der Heiligen Nacht sichtbar wird.
Es gibt wohl keine Zeit, die so erfüllt ist von schönen und alten Bräuchen, wie die Advents- und Weihnachtszeit. Bereits die vielen Vorbereitungen auf Weihnachten, das Schmücken der Wohnung und des Hauses, das Plätzchenbacken und das Einpacken der Geschenke, verleihen dem Leben einem ganz eigenen Glanz. Nicht nur der Adventskranz und der Weihnachtsbaum leuchten, auch die Gesichter der Menschen beginnen vielfach zu strahlen. Und alles hat seinen Grund in der Schönheit eines neuen Beginns, im Einbruch der Nähe Gottes in das Leben der Welt, in der Geburt des Erlösers, die wir an Weihnachten feiern.
Die Erwartung
Dabei verbinden wir auch heute mit Weihnachten eine Erwartung, die schon das Volk Israel kannte. Es ist die Sehnsucht nach einem neuen und dauerhaften Frieden. Denn zur Zeit des Propheten Jesaja war dieser Friede eine weitentfernte Utopie. In Israel herrschten große Turbulenzen. Das Reich war in Nord und Süd zerfallen, und Israel erlebt einen grauenhaften Bruderkrieg der Völker. In diese Situation ergeht die unglaubliche Verheißung, von der die Weissagung des Propheten Jesaja erzählt. Auf dem „Thron Davids“ (Jes 9,6) nimmt der Messias Platz, der als „Fürst des Friedens“ (Jes 9,5) angekündigt wird. Jesaja beschreibt in dieser Tatsache den neuen Charakter des langersehnten Friedens: Es ist der Eifer Jahwes, der sein Friedenswerk vollbringen wird, d.h. die große Wende geht auf Gott selbst zurück. Der Friede ist Gottes Werk!
Das ist der neue Inhalt des Friedens. Es geht nicht um die Abwesenheit äußerer Kriege, womit der Wunsch der Pazifisten erfüllt wäre. Das allein macht den Frieden nicht aus. Es genügt offensichtlich nicht, dass kein Krieg mehr ist. Der Heilszustand eines endgültigen Friedens ist so eng in der Rede des Jesaja mit einem neugeborenen Kind verbunden, dass deutlich wird: Nur in ihm ist Frieden möglich, weil in ihm der neue Anfang liegt. Deshalb wird er als „Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott“ und als „Fürst des Friedens“ (Jes 9,6) bezeichnet. In diesen programmatischen Thronnahmen schwingt die Überzeugung auf ein neues Recht und eine neue Gerechtigkeit mit. Die Neuheit hat in der allumfassenden Gottesherrschaft ihren Grund. Gott ist am Werk. Und der Friede stellt sich nachhaltig nur dort ein, wo die Menschheit in Beziehung zu dem tritt, der der Friede ist.
Heute, an Weihnachten, feiern wir, dass der von Gott gewirkte Friede jetzt schon möglich ist. Und doch werden wir fragen: Lehrt uns die Gegenwart nicht etwas ganz anderes? Nehmen die Orte, an denen ungerechte Kriege herrschen, nicht ständig zu? Und ist deshalb das Reden von einem allumfassenden Frieden nicht viel zu schön, um wahr zu sein?
Die Schönheit
Der Wiener Architekt Leo Zogmayer, der mit dem Wort „schön“ eine Postkarte gestaltet hat, macht darauf aufmerksam, dass das Wort „schön“ von „schauen“ kommt. Es ist das Sichtbare und hat mit der baren Sicht der Dinge zu tun. Schönheit meint daher, die Welt und das Leben im Original zu sehen und nicht als nachahmende Kopie. Genau dazu lädt das Fest der Weihnacht ein: Die Welt im Original zu sehen, d.h. so, wie sie von Gott gewollt ist. Wenn wir in der Weihnacht zur Krippe gehen, dann sehen wir dort im Bild des kleinen Kindes den angekündigten Friedensfürsten, der ganz nackt auf dem Stroh liegt. Es ist das Bild des „Schönen“. Und der Friede beginnt dort, wo der Mensch diese Schönheit bejaht.
Der Schöne Frieden
An Weihnachten sind wir erneut eingeladen, zu dem in Beziehung treten, der auf uns zukommt. Und zwar auch in schwierigen Zeiten. Gott lässt sich auf uns Menschen ein. Seine Schönheit wird sichtbar in dem göttlichen Kind in der Krippe, das machtlos, schutzlos und bisweilen einfach etwas religiös verkitsch daliegt. Diese Schönheit will nur wahrgenommen werden, ohne sie zu bewerten. In ihr wird der Unsichtbare sichtbar. Und darin liegt für uns die Garantie: Wir sind nicht allein. Gott, der Fürst des Friedens, ist mit uns. Ja, Gott kümmert sich um uns. Der Prophet Jesaja beschreibt es mit den Worten: „Der leidenschaftliche Eifer des Herrn der Heere wird das vollbringen“ (Jes 9,6).
Der menschgewordene Gott ist für uns im Letzten jener Friede und jene Treue, die niemand mehr von der Erde vertreiben kann. Wir können so tun, als ob wir das nicht sehen. Aber die Schönheit Gottes bleibt, und in der Heiligen Nacht wird sie sichtbar. In ihr liegt der Grund unserer durch nichts zu zerstörenden Zuversicht. Sie ist der Grund unseres Mutes, Treue und Gerechtigkeit, Erbarmen und Güte zu wagen und „Hoffnung und Zuversicht zu schenken“, wie wir es in unserem Ordensgebet beten und dabei nicht aufhören, den wirklichen Frieden zu suchen.
Dompräbendar Cfr. Dr. Wolfgang Hartmann, Prior der Komturei Hrabanus Maurus Fulda