Nach dem Bericht aus dem Lateinischen Patriarchat von Jerusalem, wenden wir uns im zweiten Teil des Reiseberichts zunächst dem Sozialamt des Lateinischen Patriarchats zu.
Die Armut steigt rasant an
Die Direktorin der Abteilung für Soziale Dienste, Lima Khoury, beklagt, dass nach zwei Jahren Corona die Armen immer ärmer werden. „Wir helfen Eltern bei der Finanzierung der Schulgelder“, so Lima Khoury. Auch bei Mietzahlungen in Ost-Jerusalem und Jerusalem gibt es Unterstützung. „Wenn wir die Identität der Altstadt bewahren wollen, dann bedarf es unserer Hilfe.“ 70% des Verdienstes müssen inzwischen in Israel für Mieten bezahlt werden. Das sind immerhin rund 1.400 Euro in Jerusalem. Im Vergleich zur Westbank beträgt die durchschnittliche Miete 400 Euro. Können die Ostjerusalemer Familien, oft auch alleinstehende, verlassene Frauen mit Kindern, ihre Mieten nicht bezahlen, werden sie aus ihren Wohnungen vertrieben. Wir unterstützen sie daher auch, wenn sie rechtlichen Beistand benötigen, um gegen Wohnungskündigungen oder auch Aufenthaltstitel zu klagen.
Women Empowering Program
Derzeit leben noch rund 9.700 Christen in Jerusalem. Eine kleine Minderheit bei 1 Mio. Einwohnern. „Es leben immer weniger Christen in der Altstadt!“ Die Direktorin ist zudem verantwortlich für humanitäre Hilfen. „Wir greifen insgesamt 112 Familien unter die Arme, damit sie das Nötige zum Leben erhalten. 152 erkrankte Menschen erhalten finanzielle Unterstützung, damit sie die dringend benötigten Medikamente erhalten, dass sie zum Arzt gehen können und chronisch Erkrankte gut versorgt werden können. Im Gegensatz zu Israel gibt es in der Westbank keine Krankenversicherung. Zum Aufgabenfeld von Lima Khoury gehört unter anderem auch das „Women Empowering Program“. Frauen werden dabei beraten und bestärkt, kleine Unternehmen zu gründen, um ein eigenes Einkommen in einer patriarchalischen Gesellschaft zu verdienen. Kurse helfen, das Selbstbewusstsein der jungen Frauen zu stärken.
Bezahlbare Schulbildung für Christen im Heiligen Land
Ein weiterer kompetenter Gesprächspartner, um Einblicke in die Situation katholischer Schulen im Heiligen Land zu erhalten, ist der Geschäftsführer vom Secretariat of Solidarity, Claudio Manina, das zur
Apostolischen Nuntiatur gehört. Claudio Manina stellt fest, dass der Anteil christlicher Schüler in den christlichen Schulen im Sinken begriffen ist. Insgesamt gibt es 150 Schulen und Kindergärten im Heiligen Land. Die Schulgebühren der Lateinischen Patriarchatsschulen und der Schulen der Melkiten sind am günstigsten. Die Schulen der Franziskaner, der Rosenkranzschwestern, der Salesianer u.a. haben höhere Schulgebühren und können von ärmeren Familien nicht bezahlt werden. Christliche Eltern in Palästina und Jordanien möchten nicht, dass ihre Kinder in staatlichen Schulen unterrichtet werden. Diesen fehlten das christliche Profil und eine gute Werteerziehung. Vor allem für Mädchen ist eine christliche Schule ein geschützter Ort. Allerdings legen auch muslimische Eltern darauf wert, dass ihre Kinder in Schulen des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem ausgebildet werden. Deren Anteil liegt insgesamt bei etwas über 50%. „Es ist eine Chance, unsere christliche Werte in die muslimische Gesellschaft hineinzugeben!“, so Claudio Manina.
Meine Bildung kann mir niemand nehmen
Der Lassalle-Bruder Peter Bray, Vizekanzler der Bethlehem Universität, beginnt das Treffen mit der kleinen Delegation der Deutschen Statthalterei mit einem Zitat eines ehemaligen palästinensischen Studenten: „Sie haben mir zweimal mein Haus und mein Land genommen, sie haben mich meiner Freiheit beraubt. Was sie mir allerdings nicht nehmen können, ist meine Bildung!“ Im Jahr 2023 feiert die Universität Bethlehem ihr goldenes Jubiläum.
Die Bethlehem Universität ist eine Erfolgsgeschichte
„Die Bethlehem Universität hat sich in den vergangenen 50 Jahren zu einer exzellenten Lehr- und Forschungseinrichtung entwickelt! Nahezu 20.000 Student*innen haben hier ihren Abschluss gemacht“, so Peter Bray. Natürlich ist es eine große Herausforderung, in einem besetzten Gebiet eine Universität zu führen. Für junge Menschen aus Ost-Jerusalem ist es wegen der Checkpoints schwierig, nach Bethlehem zu kommen. Unser Ziel ist es jedoch, dass alle Studierenden das berechtigte Gefühl haben, hier sicher zu sein. „Wir sind alle Brüder und Schwestern!“, so der Neuseeländer Peter Bray, der seit 2009 der Universität vorsteht. „Wir wollen inmitten der Bevölkerung sein, mitten unter der Jugend und nicht irgendwo auf einem Berg!“ Den Studierenden sollen Fähigkeiten und Werte vermittelt werden, die sie benötigen, um das Leben trotz der Situation und der täglichen Herausforderungen zu bewerkstelligen. Im Moment sind rund 3.414 Studierende an der Universität eingeschrieben, davon 80% Frauen. Ein Großteil der
Studentenschaft stammt aus Bethlehem und Jerusalem. Der Statthalter, S.E. Cfr. Dr. Michael Schnieders, nutzt die Gelegenheit bei einem Rundgang durch die Universität, auf der Orgel der Universitätskirche zur Freude des Vizekanzlers und seiner Mitreisenden zu spielen. Gemeinsam stimmt die kleine Pilgergruppe einige Lieder an.
Seien Sie gespannt auf den dritten Bericht, welcher uns nach Emmaus Qubeibeh, zum Priesterseminar in Bet Jala und zu Abouna Bashar, dem Priester der palästinensischen Gemeinde in Taybeh führen wird.
Csr. Cornelia Kimberger